Der Yogi und die Wildnis

Der Yogi und die Wildnis

Der Yogi und die Wildnis ist ein bekanntes Bild. Im Yogaunterricht und in Vorträgen zum Thema Yoga dient der alte Yogi in der Wildnis oft als Referenzpunkt. Er ernährt sich von Früchten und Nüssen und badet in kalten Flüssen (Ishnaan). In diesem Artikel möchte ich beleuchten, wie Yogis die Kunst des Sammelns als Weg zur inneren und äußeren Fülle verstanden – und was wir daraus lernen können.

Die Rückkehr zur Quelle

In den frühen Morgenstunden, als noch Tau wie ein glitzernder Schleier über den Gräsern lag, machte sich der Yogi auf den Weg. Seine Nahrung wuchs in der umliegenden Wildnis.
Barfuß wanderte er durch Wälder und über Felder. Jeder Schritt wurde zu einer Meditation, jeder Atemzug zu einem Gebet. Wenn er den Duft von feuchter Erde einatmete, fühlte er: „Ich bin Teil von allem.“ In unseren Breitengraden gab es adäquat die Einsiedler. Auch sie lebten von dem, was die Natur ihnen schenkte.

Die Pflanzen als Lehrer

Am Bachufer fand der Einsiedler die Brennnessel: grün, lebendig und wehrhaft. Viele mieden sie, doch der weise Mann wusste um ihre Kraft. Sie reinigt das Blut, stärkt das innere Feuer und weckt müde Lebensgeister.

Ein Stück weiter am Waldrand entdeckte er den Giersch, ein unscheinbares Kraut, das überall wächst und von den Menschen bekämpft wird. Doch das, was wir bekämpfen, ist manchmal das, was uns heilt. Giersch entschlackt, stärkt die Gelenke und macht Bewegungen geschmeidiger.

Zwischen Steinen leuchteten die goldenen Köpfe des Löwenzahns. Seine Bitterstoffe befreien Leber und Galle, seine Blätter stecken voller Mineralien. Der Yogi aß sie roh, mit Erde an den Fingern, und er spürte, wie jede seiner Zellen wach wurde.

Er fand die Schafgarbe, deren feine Blüten von innerer Ordnung erzählen – sie heilt, was aus dem Gleichgewicht geraten ist. Und schließlich fand er den Spitzwegerich, das „Pflaster der Natur“. Der Spitzwegerich fördert die Wundheilung und ist gesund für die Atemwege.

Am Abend saßen der Weise am Feuer. Er bereitete die Pflanzen in einer Schale zu. Er atmete tief ein und sprach ein Dankesgebet. So wurde das Mahl zum Ritual – zu einer Vereinigung von Himmel, Erde und Körper.

Der Kreis der Jahreszeiten

Die Natur kommuniziert in Rhythmen und unser Körper versteht sie. Jede Jahreszeit bringt ihre eigene Art von Nahrung hervor, die genau das bietet, was wir gerade brauchen.

Frühling: Reinigung und Neubeginn

Löwenzahn © Pixabay

Jetzt erwacht die Natur. Junge Kräuter wie Brennnessel, Löwenzahn und Vogelmiere helfen dabei, das Blut zu erneuern und den Stoffwechsel anzuregen. Sie wecken die Lebensenergie nach dem Winter, es ist, als würde man innerlich aufblühen.

Sommer – Fülle und Balance

Schafgarbe © Pixabay

Wiesen und Felder stehen in Blüte. Schafgarbe, Rotklee, Johanniskraut und Holunderblüten schenken uns Wärme, Herzöffnung und Ausgeglichenheit. Sie lehren uns, die Kraft der Sonne zu nutzen und aufzutanken.

Herbst – Erdung und Sammlung

Löwenzahnwurzel © Pixabay

Die Energie zieht sich in die Tiefe der Erde zurück. Jetzt nähren uns Beeren sowie die Wurzeln von Löwenzahn, Beinwell oder Klette. Sie stärken, erden und schenken Stabilität. Unser Körper bereitet sich auf die Stille des Winters vor. In unseren Breitengraden musste man sich mit Nahrung für den Winter versorgen. Ein Teil der Lebensmittel wurde haltbar gemacht.

Winter – Rückzug und Innenschau

Fichtennadel @ Pixabay

Auch wenn die Natur ruht, ist sie voller Leben. Harze, Rinden und Tees aus Thymian, Salbei oder Fichtennadeln reinigen die Atemwege und halten das innere Feuer lebendig. Es ist die Zeit der Besinnung und Regeneration.

Die Praxis der Achtsamkeit

Das Sammeln von Wildkräutern ist eine praktische Fähigkeit und es ist Meditation in Bewegung
Wenn wir uns achtsam durch die Natur bewegen und bewusst lauschen, riechen und fühlen, dann praktizieren wir eine Form von Pratyahara, dem Zurückziehen der Sinne nach innen. Wir hören auf zu suchen und beginnen zu finden. In diesem Moment verwandelt sich das Sammeln in eine Form von Yoga: Wir atmen mit der Erde, unsere Wahrnehmung wird klarer und unser Herz öffnet sich.

Die Weisheit der Erde

Wildkräuter sind keine exotischen Heilmittel, sondern lebendige Begleiter. Wenn wir sie respektvoll sammeln und mit Dankbarkeit zubereiten, verwandelt sich Nahrung in Beziehung.
Der Yogi von einst wusste: Die wahre Nahrung liegt nicht im Überfluss, sondern in der Verbundenheit. In jedem Blatt, in jedem Atemzug fließt dieselbe Energie – Prana.
Wer diese Energie mit offenem Herzen empfängt, nährt nicht nur den Körper, sondern auch die Seele.

Schlussgedanke

Vielleicht ist es genau das, was uns heute fehlt: die Erinnerung, dass wir Teil eines großen, lebendigen Ganzen sind. Wer sich aufmacht, um Wildkräuter zu suchen, sucht letztlich nicht nach Nahrung. Er findet den Weg nach Hause.

Weihnachten steht vor der Tür. Vielleicht sind folgende Bücher ein schönes Geschenk für die Lieben oder für einen selbst.

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