Yogaphilosophie: Karma und Inkarnation beantwortet die Frage, woher wir kommen und wohin wir gehen. Griechische Philosophen wie Platon oder Pythagoras nahmen an, dass Seelen wiederholt reinkarnieren, also wieder Fleisch werden. Die Yogalehren glauben ebenfalls, dass eine Seele auf ihrem Weg zur Befreiung viele Existenzen durchläuft. Das Sanskritwort ‚Samsara’ beschreibt einen sich ständig wiederholenden Kreislauf von Leben, Tod und Wiedergeburt.
‚Samara’ bedeutet übersetzt ‚beständiges Wandern’. Alle sterblichen Wesen sind ‚Samsara’ unterworfen. Die Wesen sammeln auf ihren dauernden, ständigen Wanderungen viele Erfahrungen. Sie lernen und entwickeln sich, bis sie sich aus dem Rad von ‚Geburt, Tod und Wiedergeburt’ befreien können.
Karma
Der yogischen Auffassung nach sind die Freuden und Leiden eines Menschen nicht einfach nur schnödes Schicksal. Sie sind die Auswirkungen dessen, was die jeweilige Person zu einer früheren Zeit getan oder gelassen hat. Das Leben eines Menschen ist also davon bestimmt, wie diese Person in ihren vergangenen Leben gehandelt hat. Das Sanskritwort hierfür ist Karma und es bezeichnet das Gesetz von Ursache und Wirkung. Karma birgt in sich die Möglichkeit zu lernen und sich zu entwickeln.
‚Karma’ bedeutet erstens, dass der Weg eines Menschen vorgezeichnet ist. Zweitens hat Karma den Sinn, dass eine Seele lernen und somit die Auswirkungen ihrer Taten ändern kann. Es gibt eine Möglichkeit, besonders intensiv zu lernen und die Wirkung früher Taten ins Positive zu ändern oder möglicherweise ganz zu löschen. Diese Möglichkeit besteht sehr früh im Leben eines Menschen und zwar in dem Zeitraum zwischen dem 120. Tag nach seiner Empfängnis bis zu seiner Geburt.
Das Unterbewusstsein des im Mutterleib heranwachsenden Babys ist ab dem 120. Tag der Schwangerschaft besonders offen für Prägungen. Daher sagen die Lehren des Kundalini Yoga, dass die Mutter die erste Lehrperson des Kindes sei, dann würde der Vater folgen, später die Gesellschaft und wenn der Mensch Glück hätte, dann würde er eines Tages von einem/einer spirituellen Lehrer*in lernen dürfen.
Inkarnation
Zwischen zwei Inkarnationen hält sich die Seele in speziellen Sphären auf. Der Mythologie nach kann sie sich dort reinigen und von ihrem Erdenleben erholen. Wenn der Zeitpunkt für eine erneute Inkarnation gekommen ist, dann fühlt sich die Seele von gewissen Situationen besonders angezogen. Ihre Wünsche und Sehnsüchte ziehen sie zu einer bestimmten Mutter.
Wenn sich die Mutter verändert, dann kann die Seele den Körper leicht wieder loslassen und einer anderen Seele Platz machen. Ab dem 120. Tag nach der Empfängnis ist die Verbindung zu seinem Körper und damit zur Mutter viel unverbrüchlicher. Die Sinne und das Nervensystem des Kindes sind so weit ausgebildet, dass das Äußere eine bleibende Wirkung ausübt. Das Kind wird von nun an bis zu seiner Geburt von den Erfahrungen und dem Sein seiner Mutter geprägt.
Naturwissenschaftliche und psychologische Studien bestätigen die These, dass ein Kind während der Zeit der Schwangerschaft von seiner Mutter, ihrem Verhalten und ihren Lebensumständen beeinflusst wird. Schon während der allerersten Zeit im Mutterleib stellt sich ein kleiner Mensch auf das Leben außerhalb seiner schützenden Hülle ein. Die Einflüsse während dieser besonderen Zeit haben daher sogar Auswirkungen bis auf die Ebene der Gene des heranwachsenden Kindes.
Verantwortung und Transformation
Eine Mutter trägt eine große Verantwortung für das in ihr wachsende Kind. Doch nicht nur die Mutter ist für das Wohlergehen und das Wachstum des Babys zuständig, sondern ebenso ihr Partner, ihre Familie, ihre Freunde, ihre Nachbarn und die Fachleute, die sie unterstützen und begleiten. Sie bilden die Umgebung der Mutter und haben dadurch einen indirekten Einfluss auf das ungeborenes Kind und das Karma der Seele!
„Um ein Kind aufzuziehen, braucht es ein ganzes Dorf.“
Sprichwort aus Nigeria
Jede Schwangere sollte daher mit besonderem Respekt und mit Freundlichkeit behandelt werden. Yogi Bhajan hat seine Schüler*innen darin unterwiesen, eine Schwangerschaft mit speziellen Ritualen zu feiern. Er hat außerdem das Unterrichten von Schwangerenyoga unterstützt, obwohl die von ihm überlieferten Kundalini-Yoga-Übungen und Yogasets für Schwangere abgeändert werden mussten.
Yogaphilosophie: Karma, Inkarnation und Schwangerenyoga
Wenn eine schwangere Frau Yoga praktiziere, so sagte er, dann sei das nicht nur förderlich für sie selbst, sondern auch für ihr Kind. Unterstützend sei es außerdem, wenn sie meditiere und eine Verbindung zu ihrer persönlichen inneren Kraftquelle aufbauen könne. Er meinte, dass sie auf diese Weise die Beziehung zu ihrem Kind und zu sich selbst stärke. Spezifische karmische Prägungen können abgeschwächt werden oder sie lösen sich ganz auf.
Yogalehrerinnen für Schwangere sind wie die Dorfbewohnerinnen, die der Mutter und damit auch dem Kind während dieser Zeit zur Seite stehen. Sie haben die wichtige und gleichzeitig erfüllende Aufgabe, werdende Mütter mit spezifischen Übungen und geeigneten Meditationen zu stärken, zu entspannen und zu inspirieren. Wenn es der Mutter gut geht, wenn diese tief atmen kann und sich ihr Herz öffnet, dann wirkt all das auch positiv auf das Baby in ihrem Bauch.
Liebe und Respekt
Nach der Geburt nimmt das Baby seinen ersten Atemzug. Mit dem Durchtrennen der Nabelschnur muss sein kleiner Körper nun auch außerhalb der schützenden Hülle eigenständig funktionieren. Der kleine Mensch nabelt sich innerhalb der ersten drei Jahre seines Lebens ganz allmählich psychisch von der Mutter ab, er wird immer selbstständiger.
Selbstverständlich ist es wichtig, das Kind weiterhin respektvoll zu behandeln. Wir Menschen lernen ein Leben lang und während der Kindheit sind wir besonders offen. Respektvolle Erziehung bedeutet keinesfalls, dass die Eltern die Zügel schießen lassen oder das Kind von vornherein wie einen Mini-Erwachsenen behandeln. Es bedeutet vielmehr, dass die Eltern die Persönlichkeit und Individualität des Kindes wertschätzen.
„Jedes Kind ist anders. Alle sind verschieden. Und wir werden im Laufe unseres Lebens immer verschiedener“ (Remo Largo)
Es ist Kindern gegenüber weder achtungsvoll, schrankenlos all ihren Wünschen nachzugehen, noch sie zu vernachlässigen oder sie wie Puppen zu behandeln. Kinder lernen niemals durch Belehrungen und Lippenbekenntnisse, sondern durch Nachahmung.
Karma und Gerechtigkeit
Deine Unabhängigkeit als Kind erfährst du durch deine Mutter, wenn sie dich als vollständiges und vollkommenes Individuum sieht. Mut und Charakterstärke schenkt dir dein Vater. Das geschieht während der ersten elf Jahre deines Lebens. Danach ist alles, was Eltern tun und sagen, unwirksam, weil das Fundament schon steht.
Menschen denken über ihre Kinder, dass sie wie Möbelstücke seien, Objekte, über die sie die absolute Kontrolle haben.
Es ist für viele Eltern schwer, ihrem Kind seine einzigartige Identität zuzugestehen. Sie nehmen daher auch nichts von dem Zauber dieses Prozesses wahr. Gibt es irgendwo Eltern, die einfach nur fühlen können, dass ihr eigenes Kind eine vollkommene, unabhängige und eigenständige Person ist? Nur ganz wenige. Das Höchste, das viele ihren Kindern zugestehen ist, dass sie so etwas wie Übernachtungsgäste und Besucher oder Unterhaltsberechtigte sind. Ihr seid zugeneigt, aber nicht liebend. Wenn ihr wütend seid, dann seid ihr unerträglich.
Yogaphilosophie: Karma, Inkarnation und die einzigartige Identität des Kindes
Wenn etwas falsch gemacht wurde, untersuchst du die Situation genau? Meine Eltern lehrten mich das grundlegende Gesetz von Karma. Es besagt, dass es immer eine Ursache und deren Auswirkung gibt. Was du säst, das wirst du ernten. Wenn man einen Fehler macht, dann verliert man gleichzeitig etwas von seiner Unabhängigkeit. Lernen ist ein fortlaufendes Training.
Was kannst du deinem Kind mitgeben, außer der Fähigkeit, über sich selbst urteilen zu können? Selbstidentität und die Emanzipation des Selbst sind wichtig für ein gesundes Lebensgefühl. Ein Kind muss ganz praktisch lernen, wie man sich verhält. Es sollte so behandelt werden, dass es selbst emanzipiert handeln und mit Herausforderungen umgehen kann.
So lernt ein Kind, sich selbst zu respektieren. Ein Kind, wird als Erwachsener immer nur reagieren, wenn es sich nicht selbst respektiert. Psychologen, Psychiater, Psychiatrien und so weiter sind dann vonnöten. Ein Mensch sollte schon während seiner Kindheit das Leben und den Wert der Gerechtigkeit kennenlernen. ~ Yogi Bhajan 1985
“As long as karma exists, the world changes. There will always be karma to be taken care of.”
― Nina Hagen
Das Leben segnet einen Menschen mit den Erfahrungen und Erlebnissen, die am hilfreichsten für die Entwicklung seiner Seele ist. Eine stabile Kindheit ist das beste Fundament, um mit dem Auf und Ab des Lebens umzugehen. Das Unterbewusstsein ist besonders empfänglich und lernbereit während der Zeit der Schwangerschaft. Und: Es ist nie zu spät für eine gute Kindheit.
3HO Deutschland e.V. bietet Fachausbildungen für Schwangerenyoga an:
München, Wien, Heilbronn
Berlin
Hamburg
Buchtipp: Der zweite Code: EPIGENETIK oder Wie wir unser Erbgut steuern können; Peter Spork (Autor)
Beitragsbild: ©SarahRichterArt@pixabay
Danke für den Text. Was passiert, und warum es passiert das die Seele nach dem 120. Tag, vor der Geburt, wieder den Körper verlässt. Warum nur diese kurze Zeit im menschlichem Fleisch? Warum die Erfahrung für die Mutter?
Ich habe eine Schülerin die ihr Baby verloren hat, die Thema beschäftigt mich sehr.
Sat Nam ihr lieben.
Liebe Nirban Prem, eine befreundete Oberärztin einer Geburtsabteilung hat mir einmal gesagt, dass die Frage nach dem ‚Warum‘ oftmals nicht beantwortet werden kann. Leben ist so unendlich und die karmischen Verflechtungen so vielfältig, dass man nur annehmen kann, was passiert. Von Zeit zu Zeit finden Betroffene sogar ihre Antworten… Doch das ist ein zutiefst individueller, innerer und freiwilliger Prozess. Vor dem 120. Tag ist eine Seele (den yogischen Lehren nach) noch nicht fest mit dem Körperchen verbunden, kann leichter loslassen und ggf. einer anderen Seele Platz machen. Um Trauer zu verarbeiten ist folgende Website evtl. hilfreich: http://www.sternenkinder.info/
Liebe Grüße
Sat Hari Kaur