Licht und Schatten im Yoga

Licht und Schatten im Yoga sind wie die zwei Seiten einer Medaille. Daher ist es wichtig, sich nicht ausschließlich auf das Licht, sondern auch auf den Schatten zu konzentrieren. Laut Duden ist der Schatten „ein mehr oder weniger scharf begrenzter, im Schatten eines Körpers liegender Ausschnitt einer im Übrigen von direktem Licht beschienenen Fläche, der sich dunkel von der helleren Umgebung abhebt.“

Carl Gustav Jung (* 26. Juli 1875 in Kesswil; † 6. Juni 1961 in Küsnacht, Schweizer Psychiater und Begründer der analytischen Psychologie), sah in dem Schatten einer Person ihre unbewussten, verdrängten Anteile und im Lichte dieses Menschen seine bewussten und von ihm akzeptierten Aspekte seines Ich – Bewusstseins. C.G. Jung war der Meinung, dass die bewussten Anteile einer Persönlichkeit die Komponenten sind, die man gerne nach außen hin zeigt und mit denen man sich identifiziert. Die ungeliebten, nicht-akzeptierten und verabscheuten Elemente werden aus dem Bewusstsein ins Schattenreich des Unterbewusstseins verbannt. Der Mensch möchte mit den Schatten nichts mehr zu tun haben und leugnet diese.

Wie C.G. den Schatten sah

C. G. Jung erklärte den Schatten folgendermaßen: „Der Schatten ist alles das, was du auch bist, aber auf keinen Fall sein willst.“

Tief im Inneren des Menschen existieren die verdrängten Teile aber weiter. Dort befinden sich alle Charakterzüge, die wir abgelehnt und verdrängt haben. Diese abgespaltenen Anteile können die Lebenskraft blockieren. Sie verhindern Beziehungen, sind dafür verantwortlich, dass ein Mensch nicht wirklich erfolgreich ist, sich seine Träume nicht verwirklichen oder er immer wieder ein destruktives Verhalten sich selbst und anderen gegenüber an den Tag legt.

Der Schattenanteil eines Menschen kann ihn sogar körperlich krank werden lassen. Die Botschaft, die der Mensch aus seiner Tiefe erhält, ist: „Ich bin nicht richtig und ich bin nicht in Ordnung. Etwas stimmt nicht mit mir.“ Viele Personen projizieren ihre Schatten in der Folge auf andere Menschen oder gar Bevölkerungsgruppen.

Wer zugleich seinen Schatten und sein Licht wahrnimmt, sieht sich von zwei Seiten und damit kommt er in die Mitte.

~ Carl Gustav Jung

Wann bildet sich der Schatten?

Der Schatten bildet sich in der Kindheit und Jugendzeit aus. Viele Menschen verbringen das erste Viertel ihres Lebens damit herauszufinden, welche Persönlichkeitsanteile sie zeigen und welche Aspekte ihrer Person sie auf welche Weise verstecken wollen. Als kleines Kind bewertet ein Mensch zunächst nicht, welches seiner Teile gut oder schlecht ist. Doch durch Eltern, Lehrer und es umgebende Gesellschaft lernt ein Kind oft schmerzhaft, welche seiner Seiten auf Zustimmung oder welche Verhaltensweisen auf Ablehnung stoßen.

Um akzeptiert und geliebt zu werden, mussten die meisten von uns ihre ‚schlechten’ Eigenschaften ablegen oder verstecken. Später vergisst man dann, dass so ein Vorgang jemals stattgefunden hat. Der Mensch ist jetzt ‚gut’ oder ‚passend’.
Innere Heilung aber kann nur geschehen, wenn einem der Schatten wieder bewusst wird und mithilfe des Lichtes transformiert werden kann.


Wenn man zu den Eigenschaften im Schattenbereich sagen kann: „Ja, das bin ich auch“, dann hat man endlich die Freiheit das Leben zu führen, das man sich wünscht. Die Energie, die bisher zum Verdrängen nötig war, steht einem nun zur Verfügung.
„Ihr ganzes Leben wird sich verändern, wenn Sie mit Ihrem Schatten Frieden schließen. Sie müssen nicht mehr so tun, als ob Sie jemand wären, der Sie nicht sind. Sie brauchen nicht mehr zu beweisen, dass Sie gut genug sind.“ ~ Debbie Ford, Psychologin
Jung sagte einmal: „Ich möchte lieber ganz sein, als gut“.

Licht und Schatten im Yoga – wie man dem Schatten auf die Schliche kommt

Alles, was eine Person an anderen Menschen, Gruppierungen oder sogar Nationen zutiefst verärgert, stört oder zornig macht, deutet auf eine Projektion des Schattens hin. Oftmals spiegelt der Partner die eigenen Schatten wider. Die Schattenseite von heißer Liebe ist oft kalter Hass.

Wenn eine Person eine fast schon militante Haltung dem Konsum irgendwelcher
Suchtmittel wie Nikotin, Alkohol oder anderer Drogen gegenüber einnimmt, dann kann das ein Hinweis darauf sein, dass er in seinem Innersten eine Suchtproblematik hat. Oder wenn jemand Gesundheitsfanatiker und aufs Tiefste von schlechten Ernährungsgewohnheiten anderer abgestoßen ist, dann ist das meist ein Indikator für eine Schattenthematik. Ist jemand extrem homophob und lehnt gleichgeschlechtliche Liebe vehement ab, so kann das ein Zeichen für die eigene verdrängte Homosexualität sein.

Es stellt sich jemand als Lichtgestalt dar und ist das genaue Gegenteil: der Krankenpfleger, der sich als Engel der Leidenden gibt und im Verborgenen seine Patienten tötet. Der Priester, der unbeugsam für das unauflösliche sakramentale Eheband und für das Zölibat steht und junge Messdiener missbraucht.

Vera Birkenbihl empfiehlt, dass man einige Zeit zehn Minuten täglich ungeordnet seine Gedanken aufschreibt, um dem eigenen Schattenmuster auf die Spur zu kommen. Wenn man das Geschriebene liest, dann ist wahrscheinlich ein Muster zu erkennen. Vera Birkenbihl nennt das ‚die Kläranlage des Geistes.‘

Der Tempel der tausend Spiegel

In einer alten indischen Stadt stand einmal ein prachtvoller Tempel. Die Wände des Tempelinneren waren vollkommen mit Spiegeln ausgekleidet.
Ein kleiner, herumstreunender Hund fand seinen Weg in den Tempel. Der kleine Hund war von Natur aus vorsichtig und ängstlich. Im Inneren des Tempels sah er sich unzähligen anderen Hunden gegenüber. Er fletschte seine Zähne und knurrte. Von überall knurrte es mit gefletschten Zähnen zurück.

Er blickte in unendlich viele, wilde Hundeaugen und wurde zornig. Laut bellend lief er im Kreise herum, doch die vielen, vielen Hunde, die scheinbar mit ihm Raum waren, kläfften auch und ließen sich keineswegs abschütteln. Zum Glück fand er den Ausgang und warnte zeit seines Lebens alle seine Artgenossen vor diesem Tempel: „Dort drinnen gibt es nichts zu Fressen, sondern nur unendlich viele, gemeingefährliche Kläffer.“
Einige Zeit später erschnüffelte sich ein anderer, kleiner Hund seinen Weg ins Tempelinnere.

Dieser Hund war neu in der Stadt und hatte noch nichts von den Erlebnissen des ersten Hundes gehört. So war er bass erstaunt, als er sich plötzlich abertausenden von Hunden gegenüber sah. ‚Ach, hier sind die alle!’, dachte er bei sich und freute sich. Er wedelte mit dem Schwanz und die vielen Hunde wedelten scheinbar erfreut zurück. Darüber freute er sich noch mehr und beglückt wedelte er noch heftiger mit dem Schwanz.

Der kleine Hund geriet in einen wahren Freudentaumel, den die Artgenossen im Spiegel sofort mit wahrem Entzücken beantworteten. Auch dieser Hund fand zum Glück seinen Weg aus dem Tempel hinaus, er wäre ansonsten vor lauter Freude einem Herzkasper erlegen. Zeit seines Lebens pilgerte immer wieder zu dem Tempel, um eine gute Beziehung zu den Freunden dort zu pflegen. Allen Artgenossen erzählte er: „In dem Tempel gibt es zwar nichts zu Fressen, aber man kann Bekanntschaft mit den freundlichsten Hunden der Welt machen!“ So kann derselbe Raum für den einen ein Ort des Schreckens und für den anderen ein Platz der Freude sein.

Schattenintegration

Der Schatten zeigt sich überall. Wie kann man ihn auflösen?
Ein sehr gutes Rezept ist das Annehmen und Liebgewinnen des Schattens, denn im Schatten können große Schätze und Talente verborgen sein, d.h. es liegt viel Kraft im Schatten versteckt. Zudem wird er mit viel Energie wird unter der Oberfläche gehalten.
Wir Menschen sind zum Beispiel sexuelle, lustvolle Wesen und es ist wichtig, die inneren Triebe anzuerkennen. Je mehr man sie verdrängt, desto kräftiger sprießen diese Triebe.


Alle Menschen tragen Gefühle von Zorn, Stolz, Gier, Lust und Abhängigkeit in sich. Diese Emotionen sind eng mit den Überlebensmechanismen der menschlichen Rasse verbunden. Sie haben also positive Absichten. Der Zorn dient der Verteidigung und dem Durchsetzen von Zielen, die Gier dient der Versorgung, die Lust der Lebensfreude und der Fortpflanzung, im Stolz liegt die Freude über Erreichtes, in der Abhängigkeit die Fähigkeit sich zu binden.


Die Lösung liegt nicht im hemmungslosen Ausleben dieser Gefühle, sondern in der Achtung vor den Regungen, die wir in uns tragen und der Frage des bewussten Ichanteils, wie unsere Schattengefühle dem Großen und Ganzen, also dem Gesamtsystem dienen können.

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„Wo viel Licht ist, ist starker Schatten.“

~ Johann Wolfgang von Goethe

Licht und Schatten im Yoga

Das Wort Guru (Weisheit) bedeutet wörtlich übersetzt Gu = „Dunkel“ und Ru = „Licht“. In diesem Begriff drückt sich die Integration von Licht und Schatten aus, in diesem Wort sind die vielen Facetten des Lebens vereint. Mit der Weisheit von „Gu – Ru“ im Herzen kann ein Yogi bzw. eine Yogini den Geheimnissen des Lebens auf die Spur kommen und die Welt um sich herum neutral und liebevoll betrachten, denn sie spiegelt den Schatten nicht mehr.

Auch die zwei Begriffe Yin und Yang aus der chinesischen Philosophie stehen für polar einander entgegengesetzte und dennoch aufeinander bezogene Kräfte oder Prinzipien. Das weiße Yang (hell, hart, heiß, männlich, aktiv, Bewegung) und das schwarze Yin (dunkel, weich, kalt, weiblich, passiv, Ruhe) stehen einander gegenüber. Harmonie entsteht durch Fähigkeit, die Pole zu vereinen.

Wie kann man dem Schatten begegnen? Eine Technik ist das Hinspüren und Wahrnehmen des Schattens. Wenn man also Angst hat, wenn einen etwas abstößt, sollte man sich nicht gleich abwenden, sondern hinschauen. Das Geschenk ist, dass man den eigenen Schatten umarmen und mit ihm Frieden schließen kann. Das Geschenk ist, dass man sich letztlich selbst in die Arme nimmt.

So kann es der Schattenintegration dienen, Yoga in sozialen Projekten zu unterrichten, Flüchtlinge zu unterstützen, oder in Armenküchen auszuhelfen. Wenn der Schatten vielleicht in anderen Bereichen liegt, dann kann man gute Gedanken oder ein Lächeln schicken… Wichtig ist die Erkenntnis: Letztendlich dienst du dir selbst!

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