Ehrlichkeit und Erleuchtung: Wahrheit im Licht des Yoga

Yogatreibende meinen oftmals, dass möglichst viele gemeisterte Übungen und Meditationen zur Erleuchtung führen. Unsere Überschrift „Ehrlichkeit und Erleuchtung: Wahrheit im Licht des Yoga“ mutet daher vielleicht sonderbar an. Alle Asanas, Praktiken und Meditationen im yogischen Kontext haben jedoch den Sinn, die Yogini und den Yogi mit ihrem oder seinem tiefsten Sein zu verbinden. Das gebräuchlichste Kundalini-Yoga-Mantra ist Sat Nam. Es bedeutet wahres Selbst, wahres Sein. Wahrhaftigkeit ist ein direkter Ausdruck des wahren Seins. Sie ist mit dem innersten Selbst verknüpft. Ehrlichkeit ist aus diesem Grunde ein Ausdruck des wahren Selbst. Ehrlichkeit und Erleuchtung sind zutiefst miteinander verbunden. Doch was ist die Wahrheit?

Objektive und subjektive Wahrheit

Etwas wird als wahr empfunden, wenn ein Gedanke oder eine Aussage mit dem übereinstimmt, was tatsächlich vorhanden ist. Ein realer Tatbestand ist gegenwärtig, jede Täuschung ist ausgeschlossen. Das wird als unpersönliche, objektive oder absolute Wahrheit bezeichnet.    

Dagegen steht die persönliche oder subjektive Wahrheit. Diese ist immer relativ. Das heißt, dass diese Erscheinungsweise der Wahrheit nur in bestimmten Grenzen, unter bestimmten Gesichtspunkten und von einem bestimmten Standpunkt aus zutreffend ist.  Sie ist daher in ihrer allgemeinen Gültigkeit eingeschränkt. »Subjektive Wahrheit« bedeutet, dass ich mir eines bestimmten Erlebnisses zweifelsfrei sicher bin. Die Gesamtheit aller meiner Erlebnisse ist die umfassende subjektive Wahrheit.

Objektive und subjektive Wahrheiten unterliegen den Wandlungen der Zeit und des Raumes. Weil die Wahrnehmung des Menschen begrenzt ist, kann er die Art und Weise, in der sich ein realer Tatbestand darstellt, nur eingeschränkt wahrnehmen. Die Vorstellung einer flachen Erde findet sich als mythologische Vorstellung in vielen frühen Kulturen. Die Erdoberfläche wird hierbei in Gestalt einer Scheibe gedacht. Das nahm man als unumstößliche objektive Wahrheit an, weil der Horizont gerade war, wenn man ihn betrachtete. Sichtbar wird die Wölbung der Erde erst, wenn man sich in einer Höhe von 11.000 km befindet.

Objektive und subjektive Wahrheit beim Thema Daten

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Der Kommunikationstechnologe und Autor Kalev Leetaru befasst sich in einem 2019 bei Forbes erschienenen Artikel mit dem Gegensatz zwischen objektiver und subjektiver Wahrheit beim Thema Daten. Er argumentiert, dass Wissenschaftler versuchen, sich mithilfe von Datenerhebung, Mathematik und der Untersuchung von menschlicher Kreativität die Welt zu erschließen.  

Er schreibt: „Von Data Science über Faktenchecks dreht sich heutzutage alles um das Streben nach objektiver und unwiderlegbarer Wahrheit. Von menschlichen ‚Faktencheckern‘, die verbissen nach Quellen und Belegen suchen, um Falschaussagen in den sozialen Medien zu bekämpfen, bis hin zu Datenwissenschaftlern, die aus Petabytes von Daten eine einzelne Antwort extrahieren – unsere moderne Welt basiert auf der Annahme, dass die ‚Wahrheit‘ durch ausreichende Datenanalyse zu finden sei.

Doch jetzt, wo das Feld der Data Science menschlichen Bewertungen zunehmend wieder mehr Bedeutung beimisst als der ‚Reinheit des Algorithmus‘ und das digitale Ökosystem nach einem experimentellen Fokus auf Objektivität den Fokus wieder auf Subjektivität lenkt, stellt sich die Frage, ob so etwas wie objektive Wahrheit überhaupt existiert.“

Leetaru schlussfolgert, dass jeder Datensatz so gefiltert werden kann, dass eine beliebige Antwort erreicht wird. Das bedeutet, es gibt keine Wahrheit, sondern nur eine Entscheidung basierend auf den vorliegenden Daten. Scheinbar absolute Wahrheiten werden zu subjektiven Wahrheiten, wenn sich Glaubenssätze und Messinstrumente ändern.

Wahrheit im Licht des Yoga

Reinkarnation Kundalini Yoga Karma
Ehrlichkeit als Schritt zur Erleuchtung: Wahrheit im Licht des Yoga

Wahrheit im yogischen Sinne bedeutet gleichzeitig Wahrheit und Sein. Das Wort hierfür ist Satya. Der Ausdruck steht darüber hinaus für den Wert der Wahrhaftigkeit. Satya gilt als eine Tugend der Yogapraxis. Diese leitet die Yogini und den Yogi auf der immerwährenden Suche nach Wahrheit. Hierbei schaut der Yogapraktizierende nach innen. Das Yoga nimmt an, dass das tiefste Sein zugleich wahrhaftig ist.

Auch in der indischen Philosophie ist Satya ein zentraler Begriff. Er definiert die „unveränderliche Wahrheit“. Diese hat keine Verzerrung und ist jenseits der Unterscheidungen von Zeit, Raum und Person.  Satya ist die absolute Wahrheit, „die der Stille überlegen ist“. Satya ist das, was einem bewusst wird, wenn man zu einem Bodhi (erleuchteter oder erwachter Mensch) wird.

Was Yoginis und Yogis suchen, das sind Antworten auf die tiefsten Fragen des Lebens. Das Ziel des Yoga ist es, Wahrhaftigkeit zu kultivieren und zu verstehen, indem auf das Sein meditiert wird.  Dieses Sein existiert in unseren individuellen Handlungen und Gedanken. Es beeinflusst die Art und Weise, wie wir miteinander umgehen. Sein Ausdruck ist Wahrhaftigkeit.

Die universellen Wahrheit

Durch das Praktizieren von Yoga und Meditation kann man sich von seinen individuellen, voreingenommenen Wahrheiten lösen und sich den universellen Wahrheiten zuwenden.

Universelle Wahrheiten sind im Gegensatz zu subjektiven oder objektiven Wahrheiten unfehlbar. Unsere persönlichen Wahrheiten sind von unseren Erfahrungen geprägt. Sie beruhen auf Werturteilen, Glaubenssätzen und Meinungen. Die meisten dieser Werturteile fällen wir unbewusst. Diese Tatsachen kann unseren Mitmenschen die Macht geben, unsere persönlichen Wahrheiten auszunutzen.

Satya ist das zweite Yama nach Patanjalis Yogasutra und bedeutet “Wahrhaftigkeit” und “Aufrichtigkeit”. Wahrhaftigkeit ist das Grundkonzept von Satya, dessen Wurzel in dem Sanskritwort “Sat” (“Wahrheit”) liegt.

ahiṃsā-satyāsteya-brahmacaryāparigrahā yamāḥ ||2.30||

Die Regeln der äußeren Disziplin (yama) bestehen aus Nichtverletzen (ahimsa), Wahrhaftigkeit (satya), Nichtstehlen (asteya), Enthaltsamkeit (brahmacarya) und Unbestechlichkeit (aparigraha).

Wahrheit oder Lüge

Das Konzept von Satya geht im Yoga über das oft gepredigte “du sollst nicht lügen” hinaus. Satya bedeutet als Erstes,  eine aufmerksame Bestandsaufnahme der jeweiligen Situation zu machen. Diese sollte von einem Mind-Scan der eigenen Motivation gefolgt sein. Aus welchen Beweggründen möchte ich gerade jetzt die “Wahrheit” sprechen oder nicht.

So wichtig es manchmal ist die Wahrheit zu sagen, so vergiftend können die Worte sein, die wir in die Welt hinaussenden. Eine Lüge kann viele Formen annehmen. Zur Unwahrheit gehört zum Beispiel auch das verbale Kaschieren einer unangenehmen Situation oder eine Übertreibung, um sich selbst ein wenig besser dastehen zu lassen. Die sogenannte Aufrichtigkeit sollte niemals als Mittel eingesetzt werden, um andere zu kränken oder ein Argument anzubringen.  

Ehrlichkeit bedeutet nicht, ungefiltert Kritik an anderen zu üben. Das wahre Wort hat von seinem Wesen her einen befreienden Charakter. Es zielt auf die Lösung des Banns der Lüge und der Illusion hin. Stelle dir immer die Frage nach dem Grund deines Sprechens: Möchtest du einen Bann lösen, sodass sich das Energiefeld aller bewegen kann? Das kann für dein Gegenüber unangenehm sein. Daher solltest du deine Worte genau abwägen. 

Die vier Tore der Wahrheit – Wahrheit im Licht des Yoga

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Ein guter Trick ist, deine Worte durch vier Tore passieren zu lassen. An jedem Tor wird eine Frage gestellt:

  1. Sind diese Worte wahr?
  2. Sind diese Worte notwendig?
  3. Ist dies der richtige Zeitpunkt, diese Worte zu sagen?
  4. Können diese Worte in einer positiven und freundlichen Form gesagt werden?

Lautet die Antwort an einem der Tore Nein, so sollten die Worte ungesagt bleiben.  Mit einer Einschränkung. Wenn ich mein Reden in den Dienst des höchstmöglichen Wohles aller fühlenden Wesen stelle, so kann es bisweilen von außerordentlicher Wichtigkeit sein, dass ich die Wahrheit klar und deutlich ausspreche. Das gilt auch dann, wenn sie einigen als ehrenrührig erscheint.  

Resümee: Ehrlichkeit und Erleuchtung – Wahrheit im Licht des Yoga

Das Aussprechen der Wahrheit kann auch die Form eines Protests annehmen. Satya zu leben bedeutet im Verbund zu sein mit dem tiefsten Selbst und mit dem Wunsch der Befreiung aller fühlenden Wesen vom Zustand des Leides.

Die Idee von Satya ist Aufrichtigkeit mit Zurückhaltung und Bedacht. Wahrhaftigkeit bedeutet nicht, jeden kleinen Gedanken in die Welt hinauszuschicken. Ehrlichkeit bedeutet, die tiefsten und ehrlichsten Gedanken mit liebevoller Güte auszusprechen, wenn die richtige Zeit gekommen ist.

Die bewusste Wahrheit zu leben benötigt ein hohes Maß an Selbstbeobachtung, Aufmerksamkeit für die derzeitigen Umstände und einen liebevollen Umgang mit den Mitmenschen. Beobachtung und  Erkenntnis brauchen einen neutralen Geist. Zudem ist es vonnöten, dass der Mensch angemessen auf Feedback reagieren kann. Dass der Mensch ein gutes Urteilsvermögen hat und dass er  bereit ist, nicht immer recht haben zu müssen.

Ich glaube, dass die ungeschminkte Wahrheit im Verbund mit bedingungsloser Liebe das letzte Wort haben wird. – Martin Luther King

Meditation für einen unbesiegbaren Geist (Original)

Währende großer Veränderungen erfahren viele Betroffene folgende destruktiven Impulse: Rückzug in die Einsamkeit, Verleugnung der Zukunft und ein Gefühl von Begrenzung. Das Mantra wirkt diesen drei Tendenzen entgegen und schenkt Mut und Gelassenheit. Konzentriere dich beim Chanten auf die Bewegung der Zunge und die Empfindung des Klangs. Beachte den subtilen Unterschied in der Bedeutung der Worte „Siri“ und „Maha“. „Groß = Siri“ – beinhaltet noch einen Hauch von Endlichkeit; „unendlich = Maha“ – ohne Endlichkeit oder Form.

Erster Teil

Zeit: Sieben bis siebenundzwanzig Minuten

Sitze in Easy Pose mit gerader Wirbelsäule und ziehe die Nackenschleuse (Kinn in Richtung Hinterkopf ziehen). Die linke Hand befindet sich in Gyan Mudra (Daumen und Zeigefinger berühren sich). Sie ruht auf dem Knie, der Arm ist gestreckt. Hebe die rechte Hand bis etwa 15 cm vor die Brust, halte das Mantra-Blatt und konzentriere dich auf die geschriebenen Worte, während du mitsingst.

Wenn du kein Mantra-Blatt hast, winkle deine Hand an, als ob du ein Blatt Papier lesen würdest, wobei die Handfläche geöffnet und das Handgelenk gerade ist. Ziehe das Kinn in Richtung Hinterkopf und konzentriere dich auf deine Nasenspitze, um das Mantra-Blatt oder die Handfläche zu sehen.  Chante das Mantra mit Musik: Sat Siri, Siri Akal Siri Akal, Maha Akal Maha Akal, Sat Nam, Akal Moorat, Wahe Guru

Zweiter Teil

Zeit: Zwei Minuten

Fahre fort mit der Musik zu singen. Schließe die Augen und lege die Hände auf das Herzzentrum, die linke Handfläche befindet sich auf dem Brustbein, die rechte Handfläche ruht auf der linken Hand. Drücke die Hände fest auf den Brustkorb.

Mantra: Sat Siri, Siri Akal Siri Akal, Maha Akal Maha Akal, Sat Nam, Akal Moorat, Wahe Guru

Dritter Teil

Zeit: Eine Minute

Deine Hände befinden sich weiterhin auf dem Herzzentrum und du flüsterst das Mantra kraftvoll: Sat Siri, Siri Akal Siri Akal, Maha Akal Maha Akal, Sat Nam, Akal Moorat, Wahe Guru

Vierter Teil

Zeit: 30 Sekunden

Chante ohne die Musik.

Beenden: Einatmen, ausatmen und entspannen.

Mantra:

Sat Siri – Wahrheit und Größe

Siri Akal, Siri Akal – Große Unendlichkeit

Maha Akal, Maha Akal  – Unendliche Unendlichkeit

Sat Nam – Wahre Identität

Akal Moorat – Inkarnierte Unendlichkeit

Wahe Guru – Freude über Weisheit

Du kannst diese Mantraversion oder jede andere passende Version nutzen.

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