Nachruf auf eine Kundalini Yogini

Nachruf auf eine Kundalini Yogini, auf meine Freundin, die Masseurin und Yogalehrerin Kartar Kaur Regine Kleinke. Kartar wurde am 17. Dezember 1947 geboren, wuchs in Niedersachsen auf und zog als junge Frau in den 60er Jahren in das Wendland in eine Wohn- und Lebensgemeinschaft, um naturnah zu leben. Sie wurde Mutter eines Sohnes. Ende der 70er Jahre entdeckte Kartar das Kundalini Yoga und siedelte in die USA über.

Dort unterrichte sie Yoga und backte deutsches Brot für Yogi Bhajan, das er so heiß und innig liebte. Kartar Kaur heiratete und bekam ihren zweiten Sohn. Die Ehe ging bald in die Brüche und Kartar war alleinerziehende Mutter zweier Kinder. Sie hielt sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser, denn sie erhielt von den Vätern ihrer Kinder keinerlei Unterstützung. Sie verdiente binnen Kurzem so gut, dass sie sich selbst einige Ausbildungen finanzierte. Bald entdeckte ihre Leidenschaft für das Massieren und behandelte Kunden und Kundinnen aus aller Welt.

Sie war beliebt und erfolgreich, sodass sie sich ein wunderschönes Haus mit Yogaraum außerhalb von Santa Fe, Neu Mexiko, kaufen konnte. Nach kurzer, schwerer Krankheit verstarb sie Ende Juni 18 in einem Hospiz in Texas im Kreise ihrer Lieben. Noch am Ende ihres Lebens feierte sie mit der Say-Yes-Bewegung das Motto ihres Lebens: Say yes to the world and the world will say yes back to you.

Kartar hatte eine aufrichtige, empathische, liebevolle und sensible Persönlichkeit, gepaart mit einer großen Kraft, die man Kartars zarten Körper auf den ersten Blick nicht ansah. Kartar war handfest und künstlerisch begabt zugleich, und sie hatte große heilerische Fähigkeiten. So war die Berührung ihrer Hände kräftig und im selben Augenblick fein, sie liebte es während der Massagen zu fliegen, wie sie sagte. Leidenschaftlich gerne praktizierte sie daher die hawaiianische Massageform Lomi Lomi. Es war ein Genuss, von Kartar behandelt zu werden: Sie verfügte über Gabe der liebenden Hände. Kartar hatte viele Freund*innen, denn ihr Haus war immer offen. Stärkend war auch, dass jede(n) so annehmen konnte, wie sie oder er war. Sie verurteilte niemanden.

Ich begegnete Kartar Kaur zum ersten Mal im Jahre 1983. Ich verbrachte den Sommer mit meinem kleinen Kind auf dem Ashramgelände in New Mexico, um im Rahmen eines Ladys-Camps Yoga zu lernen und von Yogi Bhajan unterrichtet zu werden. Etwas erschöpft von den vielen neuen Eindrücken spazierte ich durch das hügelige Ashramgelände, es war heiß und staubig. Da entdeckte ich das niedlichste, kleine Holzhaus neben einem sprudelnden Flüsschen, umgeben von einem Gärtchen. Dieses putzige Ensemble passte so gar nicht zu den sonst üblichen neu mexikanischen Adobegebäuden aus Lehm, es mutete irgendwie deutsch an.

Aus der Tür trat eine kleine, schlanke, muskulöse Frau, die mich kurz musterte und mich mit dem schönsten norddeutschen Akzent und völlig unyogisch fragte: „Willst du einen Kaffee?“ Das war der Beginn einer lebenslangen Freundschaft. Eine Freundschaft, angefüllt mit Lachen und Tiefe, Genuss und Lernen, Bädern im Rio Grande, Galoppritten durch die Ebenen der Hochwüsten New Mexikos, Schlammmassagen und Moonlightsessions bei ‚Ten Thousand Waves’, Trommelworkshops, Yoga und Meditationen.

Vor einem Jahr traf ich sie ein letztes Mal in ihrem schönen Haus in Eldorado. Kartar war an einem Gehirntumor erkrankt und hatte schon viel von ihrer Sehkraft verloren. Sie sagte mir, dass sie das Leben so sehr liebte, einfach um des Lebens willen. Sie hat bis zu ihrem Ende an ihrem Leben gehangen, so schwer es auch manchmal war. Und das nehme ich mit, diese bedingungslose Freude am Leben selbst. Zum Abschied schenkte sie mir einen Engel. Ich weiß sicher, dass sie jetzt mit den Engeln fliegt. Akaal, du schöne Seele.

Bettina Sat Hari Kaur Stülpnagel

6 Gedanken zu „Nachruf auf eine Kundalini Yogini

  1. Carola Hari Atma Kaur Thalhofer

    Sat Nam, liebe Sat Hari Kaur,
    während ich Deinen Nachruf auf Deine liebe Freundin – die ich leider in meinen 21 Jahren KY nicht kennengelernt hatte – las, musste ich so weinen, dass ich hoffe, meine Tränen durften einen Teil Deines Schmerzes wegwaschen. Direkt danach bis eben hatten wir Probe für ein Konzertstück von Bach „Schafe können sicher weiden“. Meine Querflöte spielte ich in dieser Probe für Euch, dass der Klang Euch begleiten und Dich stützen möge. Von Herzen alles Liebe und Sat Nam
    Carola Hari Atma Kaur vom Bodensee

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    1. Sat Hari Kaur Beitragsautor

      Liebe Carola Hari Atma Kaur vom Bodensee!
      Danke für deine wunderbaren Worte. Ich glaube, dass Kartar sehr froh ist, wenn sie wahrnimmt, dass jemand für sie ein
      wunderschönes Bachstück auf der Querflöte spielt. Ich bin überzeugt, dass sie es noch wahrnehmen kann, während sie sich verabschiedet
      von diesem Planeten. Danke dir!
      Sat Nam aus Hamburg
      Deine Sat Hari Kaur

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  2. Ajai Kaur

    Danke Bettina, für den wunderbaren Nachruf. Ich bin Karta Kaur zwar nie begegnet, habe aber das Gefühl sie zu kennen. Und von ihrer Freude am Leben kann ich mir momentan eine dicke Scheibe Abschneiden <3

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    1. Sat Hari Kaur Beitragsautor

      Vielen Dank, Ajai Kaur, du hättest sie bestimmt geliebt! Sie war der undogmatischste Mensch auf diesem Planeten, hatte aber doch sehr klare Werte. Man konnte mit ihr lachen und die wunderbarsten Dinge unternehmen. Sie ist in das Leben getaucht wie in ein Meer und sie hat den Tauchgang genossen, auch wenn ihr ab und zu ein paar Ungeheuer begegneten. Sie hat sicher gekämpft und geweint. Doch dann ist sie weitergeschwommen. Das nehme ich in meinem Herzen mit. Liebe Grüße <3

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    2. Keval

      Liebe Sat Hari Kaur!
      So wunderbare Abschiedsworte! Du hast mich sehr berührt, wie liebevoll du schreibst. Kartar Kaur ist aus der anderen Welt heraus sicher stolz darauf, so eine Freundin wie Dich in ihrem Leben getroffen zu haben. Du hast unglaublich herzlich geschrieben und ich hab es beim Lesen richtig bedauert, sie nicht persönlich kennengelernt zu haben.
      Aber ich bin sehr dankbar, dass ich Dich kennenlernen durfte..
      Sat Nam Keval

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      1. Sat Hari Kaur Beitragsautor

        Liebe, liebe Keval,
        ich bin unendlich froh, dass ich Kartar begegnen durfte. Manche Menschen kommen als Engel auf die Erde,
        lieben das Leben und den Schlamm dieses Planeten, können immer und überall Schönheit sehen und fliegen wieder fort…
        Sie hat versucht, uns zu kontaktieren, als es mit ihr zu Ende ging, wohl um sich zu verabschieden,
        aber ich wußte ja nicht, wo sie war und wie ich sie erreichen konnte. Ich habe sie dann doch gespürt.
        Ach Keval, wir müssten uns auch einmal wieder treffen! Es war eine so gute Zeit mit euch im Kloster.
        Herzliche Grüße
        Sat Nam
        Sat Hari Kaur

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