Yoga und Folgsamkeit

Yoga und Folgsamkeit weist darauf hin, dass es gefährlich sein kann, wenn ein Mensch gehorsam ist, ohne in Kontakt mit sich selbst zu sein. Ohne innerlich zu überprüfen, ob das, was von einem verlangt wird, auch den innersten Werten entspricht, kann man sich selbst und andere verletzen. Auf der anderen Seite macht Unterwürfigkeit das Leben leichter.

Abstand nehmen zu können von eigenen Wünschen, Bedürfnissen oder Überzeugungen und einer höheren Macht zu gehorchen, das kann einen selbst oder eine gemeinschaftliche Unternehmung voranbringen. Aber was ist, wenn Befehle den tiefsten Seelenwerten widersprechen? Wenn man Befehle als ungesund, falsch und sogar als menschenverachtend empfindet?  Ist es in dem Falle nicht wichtig, den Gehorsam zu verweigern?

Dem höchsten Selbst folgen

Oftmals ist es leichter, einer äußeren Autorität zu gehorchen, als der eigenen inneren Stimme zu folgen. Gegen den Strom zu schwimmen und den Gehorsam zu verweigern, das kann bedrohlich sein. Doch so wie Gehorsamkeit einer Sache gegenüber die Menschheit weiter bringen kann, so hat der Ungehorsam schon immer neue Zeitalter eingeläutet.

Menschwerdung und Ungehorsam

Die Menschwerdung der Bibel begann mit einem Akt des Ungehorsams. Adam und Eva missachteten den Befehl Gottes und aßen vom Apfel der Erkenntnis. In der griechischen Mythologie stahl Prometheus (wörtlich übersetzt ‚der Vorausdenkende‘) den Göttern das Feuer und legte die Grundlage für die Entwicklung der Menschen. Ohne die  „Verbrechen“ eines Prometheus, eines Adam oder einer Eva gäbe es keine Geschichte der Menschheit.

Der Ungehorsam der Sikh-Gurus

Nanak, der erste Guru der Sikhs, war ein echter Rebell. Er war ungehorsam seinen Eltern, seiner Dorfgemeinschaft, den Priestern, der indischen Gesellschaft und fremden Religionen gegenüber. Guru Nanak folgte seinem Herzen und seiner inneren Stimme.

Der zehnte und letzte menschliche Guru der Sikhs verlangte von seinen Anhängern absoluten Gehorsam. Das Wort  des Gurus galt mehr als das eigene Leben. Allerdings wehrte sich Guru Gobind Singh mit seinen Getreuen gegen die ständige Verfolgung durch die Mogulherrscher, die von allen Andersgläubigen verlangten, den islamischen Glauben anzunehmen.

Somit verweigerte Guru Gobind Singh den weltlichen Herrschern den Gehorsam. Schon sein Vater Guru Tegh Bahadur verteidigte das Recht auf Selbstbestimmung. Er wurde daher von den Moguln gefoltert und enthauptet.

Das Gesetz der Folgsamkeit ist: Dein Bewusstsein wird unendlich groß, wenn du den Anweisungen deines höheren Selbst folgst.  (Yogi Bhajan)

Experimente

Aufgrund der Gräueltaten während des dritten Reiches und weil viele der Täter, wie zum Beispiel der SS-Obersturmbannführer Eichmann,  später angaben, nur Befehlen gehorcht zu haben, führte der Psychologe Stanley  Milgram 1961 in New Haven, USA, psychologische Experimente durch, um die Bereitschaft durchschnittlicher Personen zu testen, autoritären Anweisungen auch dann Folge zu leisten, wenn sie in direktem Widerspruch zu ihrem Gewissen stehen.

Das nach ihm benannte Milgram-Experiment hat gezeigt, dass wir eine natürliche Prädisposition zum Gehorsam gegenüber Autoritäten haben. Die Versuche demonstrierten allerdings auch, dass Gehorsam nicht blind und bedingungslos sein darf. Wenn die Hörigkeit gegenüber Befehlen und das Pflichtbewusstsein stärker sind als ehrliches Mitgefühl und reflektiertes Denken, dann braucht es Widerstand.

Der Eichmann-Gehorsam

Der SS-Obersturmbannführer Otto Adolf Eichmann, geboren 1906 in Solingen, zählte zu den Hauptorganisatoren des Holocaust. Er wurde in Israel dieser Verbrechen angeklagt, 1961 zum Tode verurteilt und 1962 hingerichtet. Seine Ankläger wunderten sich: Könnte dieser dumpfe, fast unsichtbar anonyme kleine Mann derjenige sein, der den Holocaust organisierte, dessen Zeitpläne und Verfahren die Enteignung, Vertreibung und Ermordung von sechs Millionen Menschen kontrollierten?

Oh ja: Er gab es frei zu – nun, mindestens fünf Millionen. Aber er habe es nicht aus Bosheit getan, sagte er und plädierte auf Freispruch: Ich persönlich habe keinen Hass gegen einen Juden, ich habe nie persönlich eine schlechte Erfahrung mit einem Juden gemacht; [aber] als ich vom Militär zum Polizeibeamten wechselte, musste ich alle Befehle ausführen, die mir erteilt wurden. Ich bin einer jener Männer, die vorbehaltlos Aufträge ausführen, gemäß meinem Treueeid. (Quelle: Die Welt)

Die großen und dunklen Kapitel der jüngeren Geschichte haben gezeigt, was passieren kann, wenn Menschenmassen blind gehorchen, statt auf ihr Herz und den gesunden Menschenverstand zu hören. Der US-Psychologe Stanley Milgram hat es in seinem berühmten Experiment Anfang der 1960er-Jahre geschafft, solch blinden Gehorsam unter künstlichen Laborbedingungen zu reproduzieren.  Die faszinierenden und beängstigenden Ergebnisse haben bis heute nicht an Brisanz verloren.

Milgram-Experiment:

Gesunde Folgsamkeit – heilender Ungehorsam

Wunderbar ist, wenn man selbst  und derjenige, dem man gehorcht, in eine Richtung gehen und alle Beteiligten Entwicklung und Lernen wollen. Wenn einer der Akteure einen Wissensvorsprung hat, der andere auf seinen Rat hören kann und daher bestimmte schlechte Erfahrungen nicht machen muss.  Konsultiert eine Person zum Beispiel einen guten Arzt und wird aufgrund dessen Behandlungsanweisungen gesund, dann war seine Folgsamkeit vernünftig.

Es kann lebensrettend sein, wenn ein kleines Kind gelernt hat, auf seine Eltern zu hören. Das Wort Gehorsam ist eng verbunden mit dem Hörsinn. Wenn jemand gehorsam ist, dann lauscht er auf etwas und nimmt das Gehörte auf. Er lässt das Gehörte in sich nachwirken. Er hört auf das, was er wahrnimmt und folgt seiner Wahrnehmung. Ergo ist Ungehorsam etwas, bei dem ein Mensch etwas wahrnimmt, aber dieser Wahrnehmung nicht folgt. Das kann fatale Folgen für ihn haben.

Absoluter Gehorsam

Schon immer haben Könige, Kaiser, Feudalherren, Fürsten und Industrielle von ihren Untertanen absoluten Gehorsam verlangt. Gehorsam galt als eine Tugend, Ungehorsam galt als ein Laster. Die ersten Schulen in Preußen waren Orte, an denen die Allgemeinheit Gehorsam gegenüber König und Gesellschaft lernte. Ungehorsam wurde erbarmungslos bestraft.

Ungehorsam und Gehorsam sind zwei Seiten einer Medaille. Wenn ich der Außenwelt den Gehorsam verweigere, dann gehorche ich doch eine Stimme in mir. Und manchmal verweigere ich der Stimme in mir den Gehorsam, um den Anforderungen meiner Außenwelt genügen zu können.

Um ungehorsam zu sein, muss man den Mut haben, allein zu sein, zu irren und zu sündigen. Die Fähigkeit zu diesem Mut hängt aber vom Entwicklungsstadium des Betreffenden ab.

Nur wenn ein Mensch sich vom Schoß der Mutter und den Geboten des Vaters befreit hat, nur wenn er sich als Individuum ganz entwickelt und dabei die Fähigkeit erworben hat, selbständig zu denken und zu fühlen, nur dann kann er den Mut aufbringen, zu einer Macht nein zu sagen und ungehorsam zu sein. (Erich Fromm)

Eine Richtschnur für den richtigen oder falschen Gehorsam beziehungsweise Ungehorsam gibt es nicht. Um zu wissen, wann es angebracht ist, gehorsam oder ungehorsam zu sein, muss der Mensch über Wissen verfügen. Wenn er das Wissen nicht hat, dann hilft ihm eventuell die Sammlung von Informationen, die Meinung von anderen Betroffenen oder Fachpersonen. Eine wichtige Instanz ist auch immer das eigene Gewissen.

Für Yogalehrer

Verlange keine blinde Folgsamkeit von deinen Schülern und Schülerinnen. Gib ihnen immer den Raum, sich selbst wahrzunehmen und  selbst entscheiden zu dürfen, ob oder wie eine Übung ausgeführt wird.

Für Yogaschüler

Auch wenn du deinen Yoga Lehrer oder deine Yogalehrerin verehrst,  du kennst dich am besten. Vielleicht verlangt dein Lehrer von der Position oder Verhaltensweisen, die dich verletzen. Achte auf dich!  Jeder verantwortungsvolle Lehrer wird deine Selbstachtung respektieren.

Meditation, um die höheren Zentren zu öffnen

© 3HO org

Wenn Schilddrüse und Nebenschilddrüse ausgeglichen funktionieren, dann kann die Lebensenergie (Prana) der oberen Zentren freier fließen. Diese sind im Kopf lokalisiert. Die Meditation verbessert zudem die Durchblutung des Gehirns. Sie klärt den Geist und stärkt die Konzentrationsfähigkeit.

Haltung: 

Du sitzt mit aufgerichteter Wirbelsäule. Hebe die Brust an. Deine Arme sind gerade ausgestreckt und nach außen rotiert, die Handrücken ruhen auf den Knien. Daumen- und Zeigefingerspitzen berühren einander (Gyan-Mudra).

Konzentrationspunkt: 

Richte die Augen auf den Punkt etwas oberhalb der Augenbrauen.

Mantra und Bewegung:

Bewege deinen Kopf  von der Mitte her nach rechts und chante viermal Sat Nam (wahres Selbst) und dann drehe von der Mitte her nach links und chante viermal Wahe Guru (Freude, Weisheit). Das Singen des Mantras ist rhythmisch und andauernd: Sat Nam, Sat Nam, Sat Nam, Sat Nam, Wahe Guru, Wahe Guru, Wahe Guru, Wahe Guru. Eine Repetitionseinheit dauert sieben Sekunden.

Zeit:

Meditiere auf diese Weise für sechs bis elf Minuten.

Buchtipp:

Das Milgram-Experiment: Zur Gehorsamsbereitschaft gegenüber Autorität, Taschenbuch – 1. März 1982

Beitragsfoto: ©shutterstock_409045534

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