Yoga und Dazugehörigkeit

Yoga und Dazugehörigkeit beschreibt, dass Menschen soziale Wesen sind. Wenn wir wahrnehmen, dass wir mit anderen verbunden sind und wir uns einer Person oder Gruppe zugehörig fühlen, dann ist eines unserer vier seelischen Grundbedürfnisse erfüllt (Grundbedürfnisse nach Friedemann Schulz von Thun: Freiheit, Verbundenheit, Eigenwert, das Bedürfnis geliebt zu sein).

Verbundenheit ist eine biologische Notwendigkeit

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Dadurch, dass wir uns mit anderen unserer Art verbinden, sichern wir unser Überleben. Auf uns allein gestellt sind wir nicht stark genug und zu wenig Angst einflößend. Soziale Ausgrenzung war und ist daher schon immer eine der schwersten Strafen, die eine Gruppe über eines ihrer Mitglieder verhängen konnte. Das Wort Scherbengericht beispielsweise beschreibt eine solche Form der Strafe. Im antiken Athen ritzte man die Namen von unliebsamen Personen in Scherben ein, die meistgenannte Person wurde für 10 Jahre aus Athen verbannt.

Auch bei den alten germanischen Stämmen war die sogenannte Ächtung eine wohlbekannte Strafe. Sie kam einem Todesurteil gleich, denn die geächtete Person wurde aus dem Schutz ihrer Stammesgemeinschaft ausgestoßen. Soziale Ausgrenzung und die damit einhergehende Einsamkeit sind auch heutzutage noch ein schwer zu ertragen und eine der Hauptursachen für Depressionen, Drogensucht und Kriminalität.

Yoga und Dazugehörigkeit – es ist wichtig, allein sein zu können

Der Wunsch nach Freiheit ist dem Grundbedürfnis nach Verbundenheit scheinbar diametral entgegengesetzt. Wenn man frei ist, dann kann man ohne Zwang zwischen unterschiedlichen Möglichkeiten auswählen und entscheiden. In einer Gruppe oder auch in einer Familie gelten besondere Gesetze oder Normen. Mitglieder müssen sich entsprechend dieser Richtlinien verhalten. Um Gedanken zu ordnen, zu sich selbst zu finden und eigene Bedürfnisse wahrnehmen zu können, ist es wichtig, die Angst vor dem Alleinsein zu überwinden und sich von einer Gruppe distanzieren zu können.

Yoga und Dazugehörigkeit, Meditation und Verbundenheit

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Yoga- und Meditationspraktiken zielen darauf hin, dass der Yogi einen inneren Einklang mit der Schöpfung und einer höheren Wirklichkeit erfahren und die Verbundenheit mit allem in sich selbst wahrnehmen kann.
Der Ausdruck „Yoga“ bedeutet „Verbindung“. Wenn man also Yogasets und Meditationen praktiziert, dann spürt man tief im eigenen Inneren, dass man mit allem eins ist und dass man in Verbindung mit dem ganzen Universum steht.

Die innere Freiheit, die mit dieser Erkenntnis einhergeht, kann einen darin unterstützen, nicht ganz in eine Gruppe einzutauchen. Das erlaubt, einen kritischen Blick auf die Gruppenprozesse zu werfen. So kann man überprüfen, ob die Wertenormen einer Gruppe im Einklang mit den eigenen Wertmaßstäben stehen.

Das Gehirn ist auf Beziehungen ausgerichtet

Isoliert und nicht mehr Teil eines größeren Ganzen zu sein, das ist für die meisten Menschen eine außerordentlich leidvolle Erfahrung. Der Neurowissenschaftler Matt Lieberman macht in seinem Buch „Social: Why Our Brains are Wired to Connect“ deutlich, dass das menschliche Gehirn stark auf Beziehungen zu anderen Menschen ausgerichtet ist.

Es reagiert auf soziale Erfolge und Misserfolge ebenso, wie auf körperlichen Genuss oder physischen Schmerz. Ablehnung zum Beispiel registrieren wir auf mentaler Ebene genauso als „Verletzung“ wie einen Schlag auf den Kopf. (Quelle: Heidi Grant Halvorson, Ph.D., stellvertretende Direktorin des Motivation Science Center an der Columbia University Business School)

Für Unternehmen ist das Wissen essenziell, dass die Pflege der Beziehungen der Mitarbeiter untereinander ein wichtiges Kriterium der Motivation der einzelnen Beschäftigten und damit eines der Kennzeichen für den Erfolg des jeweiligen Unternehmens ist. Hiermit sind Gefühle des Vertrauens, der Verbundenheit und Zusammengehörigkeit gemeint. Ist der Kontakt unter den einzelnen Angehörigen eines Betriebes gut und stimmig, dann setzen sich die Beschäftigten mit mehr Freude und Engagement für ihre Firma ein. (Quelle: David Rock, Gründer des NeuroLeadership Institute)

Es ist also für Gemeinschaften aller Arten essenziell, das Zusammensein zu pflegen, um erfolgreich zu sein. Das gilt für Beziehungen und Freundschaften, für Firmen und für Sportgruppen, Yogagemeinschaften und spirituelle Gemeinden, Nachbarschaftsrunden und politische Gruppen. Eine gute Verbindung unter den einzelnen Gruppenmitgliedern ist eine Quelle der Kraft und der Lebensfreude für alle Beteiligten.

 Yoga und Dazugehörigkeit: Was kreiert Verbundenheit

1. Schon das Wort „ZUSAMMEN“ schafft Gemeinschaft

Die Psychologen Gregory Walton und Priyanka Carr machten Versuche mit Testpersonen, die zunächst in Kleingruppen und später allein an schwierigen Aufgaben arbeiteten. Diese Personen lösten die Aufgaben richtiger und waren weniger müde und erschöpft, wenn man ihnen vorher erklärte, dass alle ‚zusammen’ an der Lösung der Aufgaben wirkten, als Versuchspersonen, denen der Begriff „Zusammen“ nicht kommuniziert wurde. Diese brachten 48 Prozent weniger Leistungen.

Schon allein das Wort „Zusammen“ scheint das Belohnungszentrum des Gehirns in Schwung zu bringen. Es gibt uns zu verstehen: ‚Du gehörst dazu, du bist mit anderen verbunden, du stehst nicht allein, sondern kannst dich auf andere verlassen und bist Teil eines größeren Ganzen.’

2. Die Bereitschaft zur Gemeinschaft mittels der Körpersprache und Mimik kommunizieren

Ich kann zum Beispiel als leitender Yogalehrer einzelnen Gruppenmitgliedern kommunizieren, dass sie dazugehören, indem ich auf sie zugehe, einen freundlichen Blick sende oder sie anlächle. Ich kann darauf achten, mich gerade schüchternen Gruppenmitgliedern zuzuwenden und diese miteinzubeziehen. Man kann Menschen beim Namen nennen, Fragen stellen und mit Interesse zuhören. Sie erleben durch diese Signale: „Du bist offensichtlich der Mühe wert, positiv wahrgenommen zu werden und gehörst dazu. Du hast hier deinen Platz und bist akzeptiert.“
Auch als Gruppenmitglied kann ich auf meine Mimik und Gestik achten. Ich kann wahrnehmen, ob ich zugewandt bin und wirkliches Interesse an meinem Gegenüber habe.

3. Gemeinsames Singen

Singen ist ein ursprünglicher Ausdruck von Lebendigkeit. Wenn Menschen gemeinsam singen, dann atmen sie gemeinsam, sie finden einen einheitlichen Rhythmus, sie drücken im Einklang Stimmungen aus; das Zusammenwirken der einzelnen Stimmen ist sozial erfahrbar. Man nimmt sich selbst und die anderen wahr und hört einander zu. Darüber hinaus wirkt Singen heilend und ausgleichend, Singen macht fit und stärkt das Immunsystem. (Quelle: Arbeitsgemeinschaft Deutscher Chorverbände)
Ein wunderbares Beispiel für gemeinsames Singen ist die Abschlusszeremonie des Sat-Nam-Fests in den USA.

Inspierendes Sat Nam Fest

4. Gemeinsames Essen

Georg Simmel (1858 – 1918, Philosoph und Soziologe) beschreibt in seiner berühmten Arbeit „Soziologie der Mahlzeit“, dass gemeinsames Essen und Trinken eine gemeinschaftsbildende Kraft hat. Während eines gemeinschaftlichen Mahles kommen die Menschen untereinander in Kontakt; nach einer Mahlzeit ist man gesättigt und zufrieden. Man kommuniziert, kann kreativ werden und Ideen entwickeln. Das war sicher durch alle Zeiten hindurch so, Gemeinschaftsbildung während des Essens fand früher und findet heute noch in allen Kulturen und Lebensräumen dieser Erde statt.

Doch Achtung: In Gesellschaft essen wir mehr und schneller (US-Psychologe John de Castro)! Das wird dadurch wieder wettgemacht, dass wir während einer gemeinsamen Mahlzeit aufmerksamer werden für die Gefühle anderer (Quelle: Humboldt Universität). Das sei eine gute Voraussetzung für jegliche Art sozialer Interaktionen, heißt es in der Studie der Universität.

5. Freie Küchen in Indien als Zeichen von Verbundenheit

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Seit dem 15. Jahrhundert existieren in Indien sogenannte freie Küchen oder Langars. Bewegungen wie die Sufi-Orden und die Gorakhnath (Gorakhnath, übersetzt Rinderhirt, war ein indischer Yogi und gilt als Begründer des Hatha Yoga) verbreiteten diese Art und Weise, gemeinsam zu essen und gleichzeitig den Armen zu dienen. Der Begründer der Sikhreligion Guru Nanak etablierte an seinem Wohnort Kartarpur ebenfalls eine solche Küche. Für Guru Nanak waren die Langars elementarer Bestandteil der Gemeinschaft.

Die freien Küchen waren und sind auch heutzutage noch durch Spenden finanziert. Sie sind gemeinschaftsbildend, weil die gemeinschaftliche Zubereitung der Speisen, das Verteilen der Mahlzeit und das gemeinsame Essen ein Gefühl der Verbundenheit erzeugt. Das gemeinsame Essen stand und steht heute noch für die Gleichheit der an dem Mahl teilnehmenden Menschen, da bei dem Mahl kein Unterschied zwischen dem finanziellen oder gesellschaftlichen Status der Personen gemacht wurde und wird.

6. Ayurveda und Verbundenheit

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Den Lehren der Ayurveda zufolge ist ein Zustand der Gesundheit die normale Daseinsform des Menschen und  ‚Verbundenheit‘ bildet hierfür die Grundlage. Alles ist miteinander verbunden, im Individuum hängen die kleinsten Komponenten des Körpers mit seinen Zellen, den unterschiedlichen Geweben und den Organen zusammen. Das Individuum selbst ist wiederum Teil seiner unmittelbaren Umwelt und mit den kosmischen Wirkkräften verbunden. Die ayurvedische Medizin ist auf das Gleichgewicht und das richtige Maß bedacht.

Die Qualitäten des Kapha-Doshas sind wunderbar gemeinschaftsbildend, denn Kapha ist kühl, träge, beständig, unbewegt, ruhig, ausgeglichen, verlässlich, liebevoll, mitfühlend, fürsorglich. Kapha hat seinen Hauptsitz im Magen und besteht aus den Elementen Erde und Wasser. Die Kapha-Eigenschaften sollten in unserer Gesellschaft eine stärkere Anerkennung finden, denn diese Qualitäten sorgen dafür, dass man sich verbunden fühlt und dass Gemeinschaft entstehen kann. Die Kapha – Qualitäten sind geschlechtsunabhängig.

Der verzagte Baumwollfaden

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Es war einmal ein kleiner weißer Baumwollfaden, der hatte ganz viel Angst, dass er, so wie er war, zu nichts nutze sei. Ganz verzweifelt dachte er immer wieder: „Ich bin nicht gut genug, ich tauge zu nichts. Für einen Pullover bin ich viel zu kurz. Selbst für einen winzig kleinen Puppenpullover tauge ich nichts! Für ein Schiffstau bin ich viel zu schwach. Nicht mal ein Hüpfseil kann ich aus mir machen lassen! Ich kann mich nicht selbst an kräftige, dicke und lange Fäden knüpfen, die lachen doch über mich! Für eine Stickerei eigne ich mich auch nicht, dazu bin ich zu blass und zu farblos. Ja, wenn ich aus Goldgarn wäre, dann könnte ich eine Stola verzieren oder ein Kleid… Aber so? Ich bin zu gar nichts nütze. Was kann ich schon? Niemand braucht mich. Keiner beachtet mich. Es mag mich sowieso niemand.“

So sprach der kleine weiße Baumwollfaden mit sich, Tag für Tag. Er zog sich ganz zurück, hörte sich traurige Musik an und weinte viel. Er gab sich ganz seinem Selbstmitleid hin. Eines Tages klopfte seine neue Nachbarin an der Tür: ein kleines weißes Klümpchen Wachs. Das Wachsklümpchen wollte sich bei dem Baumwollfaden vorstellen.

Als es sah, wie traurig der kleine weiße Baumwollfaden war und sich den Grund dafür erzählen ließ, sagte es: „Lass dich doch nicht so hängen, du schöner, kleiner, weißer Baumwollfaden. Mir kommt da so eine Idee: Wir beide sollten uns zusammen tun! Für eine Kerze bin ich zu wenig Wachs und du als Docht zu klein, doch für ein Teelicht reicht es allemal. Es ist doch viel besser, ein kleines Licht anzuzünden, als immer nur über die Dunkelheit zu klagen!“

Da war der kleine weiße Baumwollfaden ganz glücklich und tat sich mit dem kleinen weißen Klümpchen Wachs zusammen und sagte: „Endlich hat mein Dasein einen Sinn.“ Wer weiß, vielleicht gibt es in der Welt noch viele kleine weiße Baumwollfäden und viele kleine weiße Wachsklümpchen, die sich zusammentun könnten, um in der Welt zu leuchten?
(Verfasser unbekannt)

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